Das Coronavirus unkompliziert selbst drucken und zusammenbauen – wir haben ein 3D-Modell dafür entworfen!
Abhängig vom User und dem jeweiligen 3D-Drucker sind die Details natürlich unterschiedlich. Die Methoden, die wir angewandt habenkönnen aber als Anhaltspunkt dienen. Nutzer ohne eigenen 3D-Drucker können die STL-Daten aber auch dafür verwenden, den Druck bei einem externen Dienstleister zu beauftragen. Wir hoffen, mit diesem Projekt nicht nur private Nutzer zu erreichen, sondern auch bessere Möglichkeiten für die Lehre und das öffentliche Verständis des Virus zu schaffen.
Unser Entwurf basiert auf aktuellesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bezüglich der Proteinstrukutur und Größenverhältnisse. Mehr dazu hier.
Mit dem ausgedruckten und zusammengebauten Modell bekommt man eine Vorstellung, wie das Virion aussehen würde, wenn es um eine Million vergrößert wäre (1 mm des Models stellt 1 nm (10 Å) dar). Die RNA, das Erbgut des Virus, wäre dann zehn Meter lang und einen Millimeter dick.
Zusätzlich haben wir ein Modell eines menschlichen Antikörpers im selben Maßstab entworfen, welches zusätzlich zu den Strukuren des Virions gedruckt und je nach Wunsch an das Spike-Protein angehägt werden kann. Um das Drucken, Bemalen und Zusammenbauen zu erleichtern, haben wir die Virusstruktur in vier einzelne Komponenten zerlegt:
Bis jetzt wurden die Strukturen erfolgreich auf verschiedenen Schmelzschicht-Druckern (FDM), einem Rostok MAX v2 und einem Prusa I3 MK3 Drucker getestet. Mit anderen Methoden, wie Stereolithographie, wäre eine noch höhere Qualität durchaus möglich.
Jeder Teil ist im STL-Format verfügbar und sollte mit jeder geeigneten Slicer-Software druckbar sein.
Beim Zusammenbauen und Bemalen des fertigen Drucks geht man am besten nach eigenem Gutdünken vor. Die exakten Details unterschieden sich schließlich je nach Equipment und nach den Einstellungen.
Wir zeigen hier trotzdem unseren Aufbau in knapper Zusammenfassung.
Druck der Komponenten:
Der erste Schritt ist das Drucken der einzelnen Bestandteile. Die Virion-Kugel ist schnell gedruckt, da durch die flache Oberfläche keine weiteren Träger oder Verbindungen benötigt werden.
Dieser Teil kann mit einem Minimum an Füllung und Trägern gedruckt werden, aus Gründen der Stabilität empfehlen wir jedoch eine Füllung von mindestens 10%.
Die anderen Teile (Spikeproteine und Antikörper) stellen hierbei eine größere Herausforderung dar.
Das Spikeprotein muss für das fertige Model mindestens 95mal gedruckt werden. Hierzu können entweder individuelle Einstellungen genutzt oder die 25x STL-Datei 4mal gedruckt werden.
Es ist empfehlenswert das Spike-Protein mit dem Kopf in Richtung Druckbett zu drucken. Das erhöht die Stabilität und benötigt weniger Verbindungen und Vernetzungen zwischen den einzelnen Trägern.
Diese müssten sonst mit Fingerspritzengefühl vom sensiblen Stamm der Spikes entfernt werden. Wie viele Träger zusätzlich hinzugefügt werden, kann je nach Nutzer und der jeweiligen Situation entschieden werden.
Ein Dual-Extruder-Drucker ist für das Herstellen der Spikes ideal, da die stabilisierenden Verbindungen zwischen den Spikes aus einem wasserlöslichen Plastik gedruckt und somit einfach zu entfernen sind. Auf jeden Fall erzeugt ein individueller Druck der Spikes oder zumindest eine geringere Anzahl pro Block ein besseres Ergebnis. Die Verarbeitung dieser Spikes ist dann einfacher, auch wenn der Druck zeitaufwändiger wird. Generell muss ein guter Kompromiss zwischen der Druckgenauigkeit, der Geschwindigkeit und dem Aufwand beim Aufarbeiten der Modelle gefunden werden.
Die Details dieses Prozesses hängen vor allem von der Art des Druckers, dem Aufbau und der Drucktechnik ab. Wir nutzten die bekannteste Technik: Schmelzschicht-Druck (FDM), als Plastik wurde Polylactide (PLA) verwendet, was die folgende Aufreinigung erleichterte.
Aufarbeitung
Um die Objekte möglichst sauber zusammensetzen und bemalen zu können, ist eine Aufarbeitung der Einzelteile notwendig. Die Stabilisierungsstücke können mit einer Zange entfernt werden, während kleinere Artefakte einen Abschliff benötigen. Auch ein Zahnstocher hat sich als hilfreich erwiesen.
Für PLA erwies sich Ethylacetat als die beste Reinigungsmethode um Oberflächen zu glätten und Überbleibsel der Träger zu entfernen. Das Ethylacetat löst das Plastik auf und zerstört somit kleine Unebenheiten auf den Oberflächen, wenn es bedacht angewendet wird. Hierbei kann unterschiedlich vorgegangen werden, wobei die schonendste Methode das Aussetzen in eine Ethylacetat-Dampf Umgebung in einem geschlossenen Gefäß ist. Es entsteht eine glatte Oberfläche mit genauen Details, der Prozess nimmt jedoch oft viele Stunden oder sogar einige Tage in Anspruch.
Die schnellere Methode , die ebenfalls zufriedenstellende Resultate liefert, ist das Eintunken der Objekte in Ethylacetat für 10-30 Sekunden. Anschließend werden sie abgetupft und zum Trocknen ausgelegt. Oft ist ein zweiter Reinigungsgang nötig. Für die größeren Virusteile kann es helfen ein Tuch, welches mit Ethylacetat getränkt ist, bis zum gewünschten Ergebnis über die Oberfläche zu reiben. Mit dieser Methode lassen sich die beiden Virionhälften auch hervorragend zusammenkleben. Eine kleine Menge Ethylacetat wird auf jeder Fläche der Hälften verteilt und die Hälften zusammengedrückt, bis sie zu einem einzigen Stück verschmolzen sind. Auch die Naht kann dann mit einem Ethylacetat-Tuch gut geglättet werden. Hierfür stellt Aceton-freier Nagellackentferner eine ausgezeichnete, frei käufliche Alternative dar, die die gleichen Ergebnisse erzielen dürfte. Bei der Handhabung dieser Chemikalien sollte immer geeignete Schutzausrüstung getragen werden ( Schutzbrille, Handschuhe etc.).
Übrigens: Aceton erzielt für das andere häufig genutzte Druckmaterial, Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) die gleiche Wirkung wie Ethylacetat für PLA.
Bemalen und Zusammensetzen
Wie beim Druck, sind auch das Bemalen und die jeweiligen Malmethoden dem Nutzer individuell überlassen. Hier zeigen wir die Variante des Würzburger Modells, bei der wir versucht haben, der Illustration von Thomas Splettstösser möglichst treu zu bleiben.
Die Einzelteile wurden zu Beginn mit einem Primer überzogen, um die Farbe besser an das Modell zu binden. Außerdem wirkt dieser wie eine gleichmäßige Grundierung. Beim Auftragen des Primers und der Nutzung einer Airbrush muss auf die Sicherheit geachtet werden, um das Einatmen der schädlichen Substanzen zu vermeiden. Ein gut belüfteter Raum, ein Abzug und eine Zirkulation weg vom Körper sind zu empfehlen. Das Tragen von Handschuhen, einer Schutzbrille und einer Maske sollte für zusätzlichen Schutz sorgen.
In unserem Fall wurde das Modell hauptsächlich mit einer Airbrush bemalt und wir empfehlen diese Methode für die kleinen Oberflächendetails und komplexen Strukturen. Natürlich können auch alle Teile mit dem Pinsel angemalt werden, dies ist jedoch deutlich zeitaufwendiger und erfordert genaueres Arbeiten. Alle genutzen Farben, Verdünner, Primer und Lack sind von Citadel-Painting. Hier eine Liste der genutzten Farben und Amterisleien die für unser Modell verwendet wurden:
- Grün: “Moot green”
- Gelb: “Yriel Yellow”
- Grau: “Dawnstone”
- Braun: “Baneblade Brown”
- Dunkelbraun: “Doombull Brown”
- Hellblau (Aqua): “Gauss Blaster Green”
- Türkis: “Kabalite Green”
Um den Effekt einer natürlichen Lichtquelle zu erzeugen wurden die Spikes in vier Gruppen unterteilt und unterschiedlich hell bemalt.
Wenn das Modell nicht für die feste Ausstellung auf einer Halterung oder Ähnlichem geplant ist, ist dieser Schritt nicht notwendig. Jedes Spike-Protein wurde mit einem helleren Limettengrün hervorgehoben (Highlighting), um einen stärkeren Kontrast zu erzeugen und die Oberfläche besser zu differenzieren. Anschließend wurde das Highlighting mit einem "Dry-brush" der hellblauen (Aqua) Farbe vollendet.
Nachdem das Virusmodell samt Spikes bemalt war, wurde die Farbe mit Glanzlack und einem matten Finish versiegelt. Dieser Schritt ist ebenfalls optional, aber zum Schutz gegen Abnutzung der Farben bei häufiger Handhabung des Modells zu empfehlen.
Nach all diesen Schritten kommt es endlich zum langersehnten Zusammensetzen der Einzelteile. Falls die Spike Proteine verschiedene Highlights bekommen haben, ist darauf zu achten, sich auf eine „Lichtquelle“ festzulegen und die Spikes dementsprechend anzuordnen und am Modell zu befestigen (Auf einem Ständer: Unten dunkler, nach oben heller). Um die Spikes an ihrer Position zu befestigen haben wir normalen Modellbaukleber verwendet. Starker Bastel-Kleber oder Ethylacetat können hierfür ebenfalls benutzt werden, sowie kleine Magnete für besondere Tüftlerinnen und Tüftler. Da unser Modell auf einer Halterung präsentiert werden soll, wurde hierfür ein Loch an der Unterseite des Modells freigelassen, in dem dann die Stange befestigt werden kann.
Hoffentlich hat euch unser kleines Abenteuer gefallen und inspiriert, euch an euer eigenes 3D-Coronamodell zu wagen. Die beschriebenen Arbeitsschritte haben insgesamt etwas mehr als eine Woche in Anspruch genommen. Das Drucken dauert etwa einen Tag. Aufreinigung und Verfeinerung benötigten mehr als zwei Tage und das Bemalen des Modells ein ganzes Wochenende.
Die Dateien sind öffentlich auf Thingiverse verfügbar und das Modell ist lizensiert als Creative Commons BY-NC: Frei Verwendung und Veränderung für nicht-kommerzielle Zwecke und unter Nennung der "Coronavirus Structural Task Force" als Urheber.
Wie bei jedem 3D-Modell, gibt es weit mehr als einen Weg, diese Aufgabe anzugehen und zu vollenden. Wir freuen uns, darauf, Eure Modelle zu sehen und mit Euch über Herangehensweisen und Techniken zu diskutieren - hier in den Kommentaren, auf Thingiverse oder Twitter!
Die Autoren:
Wir möchten hervorheben, dass dieser Artikel eine Zusammenarbeit mehrerer Leute ist:
Dale Tonrud und Thomas Splettstösser haben zusammen die STL Dateien für das 3D Modell erstellt und verfeinert. dale hatte die Idee, ein Modell zu drucken und diese wurde dann von Andrea Thorn aufgegriffen. Thomas und Dale sorgten dann dafür, das Modell möglichst realistisch und gleichzeitig gut für Handhabung und Druck in Einzelteilen zu gestalten. Dale druckte das erste Design des Modells aus.
Matt Reeves war für die Optimierung und den Druck des Würzburger Modells zuständig. Er fand heraus, wie das Modell am besten nachbearbeitet wird und trug zusammen mit dem Rest des Teams zur Verbessung des Modells bei.
Kristopher Nolte arbeitete zusammen mit Ferdinand Kirsten das gedruckte Modell auf und reinigte es. Kristopher war zudem für die filigrane Arbeit des Bemalens und Zusammensetzens des fertigen Virions verantwortlich.
Dieser Artikel ist übersetzt von Ferdinand Kirsten, Pairoh Seeliger und Kristopher Nolte, nach dem originalen Artikel in Englisch von Kristopher Nolte, Dale Tonrud und Matt Reeves.
Wie ich sehe benutzt ihr "closed" Spike Protein. Könnt ihr auch ein "open" rendern das analog dazu paßt ?
Ach ja, by the way, die Daten auf thingiverse sind teilweise fehlerhaft und müssen erst mühselig repariert werden. Viellicht mal eine reparierte Version uploaden ?
Hallo Thomas - wir haben dir eine Email geschrieben.
Wow, was für ein tolles Projekt! Vielen Dank.
Da ihr das Virion sowieso in zwei Teilen erstellt habt wäre es natürlich der absolute Hammer, wenn diese innen hohl und aneinander (z.B.) schraubbar wären; sowie dadurch der gesonderte RNA-Strang im Inneren vorzufinden.
Ich wäre ebenfalls an der Lösung zur Fragestellung von Thomas interessiert. 🙂
Hallo Daniel, wir arbeiten aktuell an einem neuen Modell, das den dazugekommenen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen wird. (z.B. wird das Virion etwas kleiner und die Anzahl der Spikes weniger sein).
Unser 3D-Druck-Experte tüffelt außerdem an der Möglichkeit einen maßstabsgetreuen RNA-Strang irgendwie ins Innere zu kriegen. Stay tuned - wir arbeiten an Upgrades 🙂 Pairoh
Sehr geehrte Damen und Herren,
Nach Ihren Anweisungen habe ich nun versucht PLA mit Ethylacetat zu glätten. Es funktioniert nicht, auch beim direkten tauchen bleicht das Modell fest. Auch im Internet finde ich häufig die Anmerkung, das PLA nicht (wie im Gegensatz zu ABS) Lösemittellöslich ist.
Wo liegt mein Fehler?