Früher wurden Arzneimittel zufällig gefunden, und manchmal ist das auch heute noch so. Aber in diesem Artikel geht es um sogenanntes rationales Arzneimitteldesign. Wir fangen an mit zwei wichtigen Begriffen:
Wirkstoffe und Targets
Die meisten Arzneimittel sind kleinere Moleküle mit bis zu 70 Atomen. Diese Wirkstoffe binden im Körper an das sogenannte Target, ein „Makromolekül“. Makromoleküle können Eiweißstoffe, DNA, RNA und Zuckerketten (Kohlenhydrate) sein. Die allermeisten Targets sind Eiweißstoffe – Proteine.
Proteine sind die Arbeitstiere unseres Körpers – sie zerlegen die Moleküle in unserer Nahrung, ermöglichen die Zellteilung, aus ihnen bestehen Muskeln und Haare. Ein Grund, warum unsere Ernährung Protein enthalten muss, ist, weil unser Körper dieses in seine Bausteine zerlegt und daraus neue Proteine bauen kann. Sie sind absolut essentiell für unser Überleben.
Ein Beispiel: So wirkt Aspirin
Aber nicht nur unser Körper hat Proteine, auch Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren (sic). Und nicht alle Proteine sind gut: Bei Stoffwechselstörungen oder chronischen Krankheiten kann es sinnvoll sein, die Aktivität bestimmter Proteine zu vermindern. Ein gutes Beispiel hierfür ist Cyclooxygenase-II oder kurz COX. Dieses Protein wird bei Verletzung von Zellen und bei Entzündung im Körper gebildet und katalysiert einen wichtigen Schritt bei der Herstellung von Schmerzbotenstoffen, so genannten Prostaglandinen. Ohne dieses Cyclooxygenase-II können keine Schmerzbotenstoffe hergestellt werden.
Acetylsalicylsäure - auch bekannt als ASS oder Aspirin – bindet an Cyclooxygenase-II und macht diese kaputt (siehe Bild). Das führt dazu, dass keine Schmerzbotenstoffe mehr gebildet werden, und man weniger Schmerzen empfindet*. In diesem Fall ist also Cyclooxygenase-II das Target und ASS der Wirkstoff.
Arzneimittelentwicklung
Zur Arzneimittelentwicklung werden zwei Hauptmethoden eingesetzt:
Indirektes oder Liganden-basiertes Wirkstoffdesign testet Moleküle, die bereits bekannten Arzneimitteln in Ladung und Gestalt ähnlich sind. Diese werden darauf getestet, ob sie an das Target binden und es hemmen.
Direktes oder Struktur-basiertes Wirkstoffdesign beruht auf der Kenntnis des Targets und der Wirkstoff wird so ausgewählt, dass er an das Target bindet. Beim Fragment-basierten Wirkstoffdesign werden kleinere Moleküle an verschiedene Stellen im Target gebunden und mit diesem Wissen dann ein Wirkstoff synthetisiert, der die Eigenschaften der Fragmente in einem Molekül vereint.
Für beide Hauptmethoden kann eine Vorauswahl von möglichen Wirkstoffen mithilfe von Computerberechnungen getroffen werden, aber für Struktur-basiertes Wirkstoffdesign muss die Struktur des Makromoleküls genau bekannt sein.
Die Coronavirus Structural Task Force hilft bei der Suche nach einem Arzneimittel, indem wir die makromolekularen Strukturen von möglichen Targets, nämlich den Proteinen des Coronavirus, überprüfen und zum Teil sogar verbessern. Außerdem bieten wir Wirkstoffdesignern Informationen zu den verschiedenen Makromolekülen an. Auf diese Art und Weise hoffen wir, einen Beitrag zur Bekämpfung des Virus zu leisten.
*Leider werden statt Prostaglandinen dann mehr Leukotriene produziert, die bei Asthmatikern einen Anfall auslösen können – deswegen sollen Asthmatiker Aspirin nur nach Absprache mit dem Arzt nehmen.
(Titelbild: Aspirintabletten von Ragesoss, Wikimedia Commons / license: CC 4.0)