Um ein eigenes 3D-Modell des Coronavirus zu besitzen, braucht man nur etwas Zeit und einen 3D-Drucker. Mit den Dateien und der Anleitung, die wir hier zur Verfügung stellen, kann sich jeder ein eigenes Modell basteln. Außerdem kann man die STL-Dateien natürlich von jedem externen Dienstleister (3D Workshop/Copyshop) drucken lassen und dann selbst bemalen und zusammenbauen.
Das Modell ist nicht nur als private Bastelarbeit zu gebrauchen, sondern kann und soll auch in Bildungseinrichtungen und für Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden.
Anfang 2022 haben wir eine neue, aktualisierte Variante unseres 3D-Modells von SARS-CoV-2 veröffentlicht. Diese Anleitung und die Druckdateien hier beziehen sich auf die neue Version, die auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen fußt und das Original an einigen Stellen verbessern.
Details über die Änderungen und die Gründe dafür, findet man hier.
Die Designentscheidungen für das neue Modell wurden auf Grund der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse getroffen – so entspricht nicht nur die Form der verschiedenen Proteine den gemessenen molekularen Strukturen so gut wie möglich, auch ihre Anzahl sowie die Gesamtgröße des Virions stimmen mit experimentellen Ergebnissen im Maßstab 1:1.000.000 überein.
Daher entspricht 1 mm auf dem Modell 1 nm (10 Å). (In diesem Maßstab wäre übrigens die RNA, die sich in der Virushülle befindet, 10 Meter lang und 1 mm dick.) Außerdem haben wir ein auch ein maßstabsgetreues Modell des menschlichen Antikörpers entworfen, der an das Spike-Protein bindet.
Benötigte Teile
Um den Druck und das Zusammenbauen zu erleichtern, haben wir die Virusstruktur in Einzelkomponenten zerlegt:
Für das Modell mit festen Spikes:
https://www.thingiverse.com/thing:5326932/files
- Virion (Eine obere und eine untere Hälfte)
Die beiden Virion-Komponenten sind komplett gefüllte, unregelmäßige Halbkugeln. Der Viruskörper wurde in zweigeteilt, um flache Oberflächen zu erzeugen. Dadurch wird der Bedarf an Stützen minimiert und die Menge an überschüssigem Material beim Drucken verringert. Die Außenflächen enthalten Einbuchtungen für die Spike-Proteine. Dieses Modell enthält 26 solcher Löcher. Die Oberfläche des Virions ist strukturiert, um die E- und M-Proteine von SARS-CoV-2 darzustellen.
- 26 Spike-Proteine
Das Spike-Protein ist der schwierigste Teil des Druckprozesses. Jeder Stachel besteht aus einer komplexen kronenartigen Oberfläche am Kopf und einem stützenden Stamm, der ihn mit dem zentralen Virion verbindet. Die einzelnen Spike-STL-Dateien zeigen den Spike in verschiedenen Ausprägungen und Winkeln.
Für das Modell mit gefederten Spikes:
https://www.thingiverse.com/thing:5666273/files
- Virion (Eine obere und eine untere Hälfte)
Die beiden Virion-Komponenten sind komplett gefüllte, unregelmäßige Halbkugeln. Der Viruskörper wurde in zweigeteilt, um flache Oberflächen zu erzeugen. Dadurch wird der Bedarf an Stützen minimiert und die Menge an überschüssigem Material beim Drucken verringert. . Die Außenflächen enthalten Einbuchtungen für die Spike-Proteine. Dieses Modell enthält 26 solcher Löcher. Die Oberfläche des Virions ist strukturiert, um die E- und M-Proteine von SARS-CoV-2 darzustellen.
- 26 Spike-Proteine (11 ausgefahrene, 15 eingefahrene)
Das Spike-Protein ist der schwierigste Teil des Druckprozesses. Jeder Stachel besteht aus einem kronenartigen Kopf, der auf eine Spiralfeder montiert wird.
- Spiralfedern
Hier gibt es passende Federn kaufen: https://www.mcmaster.com/compression-spring-stock/od~1-8/id~0-085/
Diese Feder ist 20 Zoll oder 508 mm lang und kann in 26 19-mm-Stücke (oder 28 18-mm-Stücke mit zwei Ersatzstücken) zerteilt werden.
Der Außendurchmesser der Feder muss ca. 0,125 Zoll oder 3,2 mm betragen, damit die Federn in die Löcher der Modellteile passen.
Die Druckdateien wurde erfolgreich auf unterschiedlichen FDM-Druckern (Rostok MAX v2 & Prusa I3 MK3), getestet und wir gehen davon aus, dass sie mittels z.B. Stereolithografie sogar in noch besserer Qualität gedruckt werden können Alle Daten sind im STL-Format verfügbar und können über jede geeignete Slicer-Software gedruckt werden. Bei den Einstellungen ist ein bisschen Fingerspitzengefühl nötig, da die genauen Details je nach Bedingungen und Ausstattung abweichen können.
Das unten beschriebene Vorgehen dient als Anhaltspunkt.
Wir freuen uns über persönliche Erfahrungen in den Kommentaren!
Drucken der Einzelteile
Im ersten Schritt druckt man natürlich alle Komponenten.
Für die großen Teile des Virions ist das ziemlich einfach, da die Oberfläche keine zusätzlichen Stützen braucht. Diese Teile können mit der minimalen Supportfüllung gedruckt werden, wir empfehlen aber 10%.
Der Druck der anderen Teile (Spike-Protein und Antikörper) ist etwas anspruchsvoller.
Das Spike-Protein muss für das Modell 26mal gedruckt werden.
Das Modell stellt eine Momentaufnahme dar – um das deutlicher zu veranschaulichen haben wir Druckdateien des Spike-Proteins mit unterschiedlichen Neigungswinkeln, sowohl im ausgefahrenen wie im eingefahrenen Zustand.
Für eine möglichst wirklichkeitsgetreue Darstellung des Virions eehre mpfehlen wir die folgende Verteilung:
Für das Modell mit festen Spikes:
- 3x 30° ausgefahren
- 4x 30° eingefahren
- 5x 40° ausgefahren
- 7x 40° eingefahren
- 3x 50° ausgefahren
- 4x 50° eingefahren
Für das Modell mit Feder-Spikes:
- 11x ausgefahren
- 15x eingefahren
Die Spiralfedern zum Befestigen der Spikes müssen einen Außendurchmesser von ca. 3,2 mm und eine Länge von 18-19 mm haben. Wir empfehlen die Verwendung von Edelstahlfedern.
Um die Federn in den gewünschten Winkel zu biegen, kann man die Spiralen auf mehrere Massivdrähte ziehen, sie in den richtigen Winkel biegen und dann für etwa 30 Minuten auf eine 250° heiße Herdplatte legen. Mit diesem Verfahren kann man beliebige, unterschiedliche Winkel in die Spiralfedern biegen und die Federn biegen sich nicht in ihre ursprüngliche Position zurück.
Wir empfehlen außerdem die Spike-Proteine seitlich liegend zu drucken, dadurch werden die „Stiele“ stabiler und es ist dadurch einfacher die Stützen von den Stielen zu entfernen, ohne sie zu zerbrechen.
Wir haben FDM Druck und PLA verwendet. Auch das erleichtert die Nachbearbeitung.
Ideal für den Druck der Spikes ist ein Dual-Extruder-Drucker, da er das Drucken von Stützen mit wasserlöslichem Kunststoff ermöglichen und die Nachbearbeitung extrem beschleunigen würde.
In jedem Fall führt das Drucken einzelner oder zumindest weniger Spikes mit größerem Abstand im Allgemeinen zu schöneren Objekten, die einfacher zu bearbeiten sind. Das dauert nur eben etwas länger.
Nachbearbeitung
Egal mit welcher Herangehensweise beim Drucken – hinterher ist immer noch etwas Feintuning nötig, bevor man das Virion zusammenbauen kann.
Man kann eine Zange verwenden, um die Stützen zu entfernen, aber die kleineren Artefakte und Unebenheiten müssen abgebürstet oder geschliffen werden. Ein Zahnstocher hat sich hier als überaus nützlich erwiesen.
Wir glauben, dass die einfachste Möglichkeit PLA zu reinigen und zu glätten – natürlich erst nachdem man die Supportstützen entfernt hat – die Verwendung von Ethylacetat ist.
Ethylacetat ist in vielen Chemielaboren und Apotheken leicht erhältlich – aber eine Alternative, die es im freien Handel gibt, ist acetonfreier Nagellackentferner.
Beim Umgang mit Ethylacetat sollten Sie eine Schutzbrille und passgenaue (!) Handschuhe tragen, den Raum gut lüften und bei Hautkontakt nach gründlichem Abwaschen eine Hautcreme verwenden.
Ethylacetat löst den Kunststoff auf, zersetzt die kleinen Extrusionsartefakte auf den Oberflächen und lässt sich einfach. auftragen.
Wir waren am erfolgreichsten damit, die Teile in einer versiegelten Ethylacetat-Dampfumgebung zu belassen.
Das kann man im Wasserbad machen, also z.B. indem Sie das Ethylacetat und die zu reinigenden Drucksachen in einem kleineren offenen Gefäß in einen Edelstahltopf geben (die Gefäße sollten im Anschluss sorgfältig gereinigt werden)
Diese Technik führt zu gleichmäßigen und sauberen Ergebnissen - obwohl es einige Tage dauern kann, bis jedes Objekt vollständig geglättet ist.
Die schnellere Methode besteht darin, die kleinen Objekte einfach 10 bis 30 Sekunden lang in Ethylacetat zu tauchen und dann jedes störende Objekt zu entfernen und sie auf einer Oberfläche trocknen zu lassen.
Bei den größeren Virionteilen kann die Oberfläche geglättet werden, indem man sie mit einem mit Ethylacetat befeuchteten Tuch abreibt,
Genauso „verschweißen“ wir auch die beiden Hälften des Virion-Körpers:
Eine kleine Menge Ethylacetat auf die flachen Oberflächen jedes Abschnitts tropfen, die beiden Hälften zusammenpressen, bis der Kunststoff zu einem einzigen Objekt verschmilzt. Die Naht dann nach dem gleichen Verfahren wie zuvor glätten.
Bei der Verwendung von Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) kann Aceton zu denselben Ergebnissen führen.
Zusammenbauen des Modells
Jetzt kann das 3D-Modell endlich zusammengebaut werden.
Zur Montage werden die Federn zuerst mit Sekundenkleber in den Löchern des Virionkörpers fixiert. Für die abschließende Fixierung verwendet man UV-Harz.
Das UV-Harz dient auch als Füllmaterial, um die Löcher vollständig zu verschließen. Die Spikes werden genauso an den Federn befestigt, wie die Federn zuvor am Körper.
Wenn Sie das Modell bemalt werden soll, empfehlen wir, es zusammenzubauen, bevor mit dem Bemalen angefangen wird. Auf diese Weise kann das zum Füllen der Löcher verwendete UV-Harz auch mit lackiert und ein optisch ansprechenderes Ergebnis erzielt werden.
Wir hoffen, dass unser Ausflug in den 3D-Druck des Coronavirus Sie dazu inspiriert, es selbst auszuprobieren!
Der von uns beschriebene Prozess hat etwas mehr als eine Woche gedauert. Die Druckarbeiten waren in etwas mehr als zwei Tagen erledigt, die Reinigung und Nachbearbeitung dauerte weitere zwei Tage, die Lackierung erfolgte an einem Wochenende.
Dieser Artikel enthält eine Beschreibung unserer Technik und sollte genügend Details darüber liefern, wie Sie ein ähnliches Ergebnis erzielen können.
Die Dateien sind downloadbar bei Thingiverse und unter einer Creative Commons BY-NC-Lizenz veröffentlich:
Sie dürfen dieses Werk nicht kommerziell anpassen oder darauf aufbauen und die „Coronavirus Structural Task Force“ muss als ursprünglicher Autor genannte werden.
https://www.thingiverse.com/thing:5326932
Bei 3D-Durck führen viele verschiedene Wege ans Zeil und unserer ist sicher nicht der einzige und wir freuen uns darauf, die vielen kreativen Wege zu sehen, die man gehen kann.
Bitte teilen Sie Ihre Erfahrungen und Ergebnisse mit uns, entweder über die Kommentare in Thingiverse oder auf Twitter (Sie können uns mit @thornlab taggen).
In den Druckdaten auf Thingiverse haben wir übrigens auch ein Modell eines menschlichen Antikörpers im gleichen Maßstab angehängt, das an das Spike-Protein andocken kann.
Für einen besseren Größenvergleich haben wir außerdem ein Modell des Rhinovirus ‒ also eines gewöhnlichen Erkältungsvirus. Es ist hier im STL-Format verfügbar:
https://www.thingiverse.com/thing:4556845
Autoren
Wir möchten betonen, dass die Erstellung dieses Blogeintrags eine Zusammenarbeit mehrerer Personen war:
Dale Tronrud und Thomas Splettstößer haben zusammen die STL-Dateien für das 3D-Modell zu erstellt. Dale war derjenige, der den Vorschlag zuerst machte (Andrea Thorn griff die Idee auf). Thomas wählte dann die experimentellen Modelle aus und platzierte alle Teile, um eine realistische Darstellung zu erhalten. Dale vermittelte das Wissen über die Grenzen des 3D-Drucks und zerlegte das Modell von Thomas in druckbare Teile, die sich ohne große Schwierigkeiten zusammensetzen lassen. Er druckte und montierte das erste Virion aus diesem Entwurf. Das aktualisierte Modell wurde in den Einrichtungen des Fachbereichs Physik der Universität Hamburg mit großzügiger Unterstützung von PhysNET und Martin Stieben gedruckt. Yunyun Gao und Philip Wehling verfeinerten das Modell, und Matthias Stäb bemalte das auf den Bildern gezeigte Modell.